Die Albiez-Orgel der Kempener Propsteikirche St. Marien


Diese Orgel hat aufgrund seines Testaments Johannes Hüskes, Propst von Kempen, errichten lassen. Zur größeren Ehre Gottes konnte dieses Werk durch die Freigebigkeit vieler vollendet werden im Jahr des Herrn 1979.

So lautet übersetzt die lateinische Inschrift am Rückpositiv des im September 1979 eingeweihten Instruments in der spätgotischen Kempener Propsteikirche aus der Lindauer Werkstatt des Orgelbauers Winfried Albiez.

 

Die Orgel steht an der optisch wie akustisch gleichermaßen idealen Stelle am Westende des Mittelschiffs, wo schon von 1541 bis 1858 die Renaissance-Orgel des Kölner Meisters Veit ten Bendt gestanden hatte. Das zweitälteste deutsche Renaissancegehäuse, einzigartig vor allem wegen der 18 von ursprünglich 24 Portraitmedaillons, für eine moderne große Orgel aber ungeeignet, ist inzwischen restauriert und – ohne das ursprünglich zugehörige Rückpositiv – in den fehlenden Teilen ergänzt, es wartet auf einen adäquaten klingenden Inhalt.

Albiez-Orgel

Albiez-Orgel


1875 war die Renaissanceorgel abgelöst worden durch ein Instrument von 34 Registern (mechanische Schleifladen und Barkermaschinen) des Kölner Orgelbauers Franz Wilhelm Sonreck, in wenig günstiger Position aufgestellt über der Nordseite des Chorumgangs, wo es – 1908 und 1939 umgebaut und vergrößert – bis 1979 seinen Dienst tat. Das Gehäuse ist an der ursprünglichen Stelle erhalten.

 

Aus dem Zusammenspiel von Möglichkeiten und Einschränkungen, von Architektur, verfügbarem Platz und technischen Notwendigkeiten ergab sich für die Albiez-Orgel schließlich, wie es nun aus den drei Gehäusen von massiver Eiche mit charakteristischem Unterschied klingt: Das in der Front der Empore stehende Rückpositiv (10 Register) ganz direkt, das Hauptgehäuse (8 Pedalregister im Zentrum, flankiert von 11 Hauptwerksregistern), davon abgesetzt, das dahinterstehende Schwellwerk (15 Register) leicht verschattet, aber in der ganzen Kirche völlig klar vernehmbar. Spieltraktur und Koppeln sind mechanisch. Die Gehäuse sind aus Eiche natur auf Rahmen und massive Füllungen gearbeitet, die Windladen liegen unmittelbar auf dem Gehäuserahmen – in Deutschland vor 35 Jahren noch keinerswegs eine selbstverständliche Konstruktion. Das Äußere des Instruments verleugnet insgesamt in seiner relativen Strenge nicht die Zeit seiner Entstehung.

 

In 35 Jahren "Kempener Orgelkonzerte" mit hochrangigen Organisten aus vielen Ländern konnte das Instrument seither seine Qualitäten erweisen. Sollte man es charakerisieren, gerät man in Verlegenheit. Es läßt sich kaum in eine der gängigen Schubladen einordnen. Auch wenn das große Schwellwerk französische Registernamen hat, so ist es doch wie die ganze Orgel eine sehr persönliche Ausprägung der Intonationskunst ihres 1984 verstorbenen Erbauers: Glanz ohne Härte, Gravität, Transparenz und vor allem ein großer Farbenreichtum und erstaunliche Mischfähigkeit auch bei ziemlich unorthodoxen Registrierungen.

 

Am schönsten hat das der große niederländische Organist Albert de Klerk einmal so zusammengefaßt: "Die Orgel muß mit großem Fachkönnen entstanden sein, vor allem aber mit Liebe."